Salam
Es gibt Dinge, die man nicht festhalten kann, nicht fassen, nicht erklaeren oder beschreiben, Dinge die man weder mit Wort, noch Bild oder Ton anderen begreiflich machen kann. Ich versuche es
hier mit Worten, obwohl es dem ganzen bei weitem nicht gerecht wird.
Ich nehme an die meisten von euch haben mitbekommen, dass im Iran derzeit grosse Unruhen herrschen. Nach der Wahl Ahmadinejads gingen tausende auf die Strasse um ihren Unmut ueber eine, aus ihre
Sicht, gefaelschte Wahl, kund zu tun. Was genau los ist kann ich euch nicht sagen, es ist sicherlich mehr, als in den westlichen Medien steht und es ist wahrscheinlich weniger als die Leute hier
behaupten. Das beste Beispiel fuer den Lehrsatz "Es gibt keine Wahrheit". Die Leute, die ich in den letzten Tagen in Tehran kennengelernt habe, sind angespannt und unsicher, teilweise auch voller
Hoffnung, dass nun eine Veraenderung ins Land kommt. Sie erzaehlen mir auch, dass ein grosser Teil der Bevoelkerung unzufrieden mit der Situation ist und dass sich immer mehr Wut anstaut. Als
Aussenstehender kann ich das leider ueberhaupt nicht beurteilen. Als Historiker ist es auf jeden Fall eine spannende Zeit.
Aber eigentlich will ich nicht von diesen Dingen schreiben. Von diesem Iran kann man in den Medien lesen, auch wenn nicht alles der Wahrheit entspricht, wie mir hier deutlich bewusst wurde. Ich
moechte euch vielmehr von einem anderen Iran berichte, einem den man bei uns nicht kennt. Einem Iran voller Traditionen, voller Geschichte und vor allem voller freundlicher, ehrlichen Menschen.
Noch nie in meinem Leben, waehrend meinen Reisen, bin ich so tief beruehrt worden von der Freundlichkeit und Herzlichkeit anderer Menschen.
Nach meinem Abenteuer um ein Busticket nach Tehran zu organisieren, ging ich einen Tag vor der Abreise ins Internet und erfuhr von den Protesten in Tehran. Dazu noch eine E-Mail von Askan, der
mir abriet in den Iran zu reisen. Ich dachte anfangs schon, dass der Traum Persien zu sehen geplatzt war, doch die Telefon- und Internetleitungen liefen zwischen der Schweiz, Tehran und Istanbul
auf Hochtouren. Ashkans Vater reiste kurzfristig in den Iran und so kam es schliesslich, dass ich bei der Familie Mortezavi waehrend meiner Zeit in Tehran naechtigen konnte. Was sich in allen
Belangen als riesiger Gluecksfall herausgestellt hat.
Ich war bei meiner Abfahrt dennoch nervoes, doch das ist sicherlich eine gute Sache, denn so vermeidet man eher in gefaehrliche Situationen zu kommen. Es war dann auch kein Leichtes den Bus nach
Tehran zu finden, doch schliesslich sass ich an meinem Fensterplatz und konnte im klimatisierten Bus die laengste Busfahrt meines Lebens antreten. (Alles in allem waren es etwa vierzig Stunden.
Mein Steissbein schmerzt immer noch ein wenig vom vielen sitzen.)
Hier kam ich auch zum ersten Mal in Kontakt mit Iranern und Iranerinnen. Der Bus war zu dreiviertel leer und so versammelte sich alle im vorderen Teil, wo sie miteinander schwatzten und das
mitgebrachte Essen untereinander teilten. Ich wurde auch in das Geschehen einbezogen, obwohl nur wenige wirklich gutes Englisch konnten und mein Farsi leider auch noch nicht ausreicht um eine
Unterhaltung fuehren zu koennen. Am besten Englisch sprach eine Frau, Coiffeuse von Beruf. Waehrend den Rastpausen kuemmerten sich dann auch alle um mich, teilweise als waere ich ein neugeborenes
Kind, sie sahen zu, dass ich zu Essen erhielt und das ich nicht alleine blieb. Teilweise war ich froh, wenn ich einige Schritte fuer mich alleine gehen konnte. hihi. Besonders als wir im Iran
ankamen, kuemmerte sich eine Gruppe von vier Leuten besonders um mich. Sie machten natuerlich auch Scherze, wie "Welcome to Iran" dann fassten sie sich an den Hals und taten so als wuerden sie
gehaengt werden. Lachten dabei laut. Manchmal war mir das dann schon etwas unheimlich, aber bedroht hab ich mich nie gefuehlt. Der Grenzuebergang verlief problemlos und auch die diversen
Poliziekontrollen nahe der Grenzen waren kein grosses Thema. Die Landschaft war erneut sehr eindruecklich, der Wechsel von Hochlandgebirge, zu kargen Mondlandschaften, ueber zu Reisfeldern war
sehr eindruecklich. Aber hier sind Bilder eher angebracht, vielleicht bringe ich es noch fertig ein paar hochzuladen.
Schliesslich ging es bei der Busfahrt gegen Ende zu und ich wusste nicht genau, wann ich in Tehran ankommen wuerde, noch wie ich das Haus von Ashkans Vater finden sollte. Alles was ich hatte war
eine Adresse auf Farsi (uebrigens eine sehr schoene Schrift) und ein Telefonnummer, welche nicht funktionierte, angeblich wegen den Demonstrationen. Doch die Leute im Bus winkten ab, als ich
ihnen die Situation erklaerte und meinten, sie wuessten in etwa, wo das sei und sie wuerden mich dorthin bringen. Fuer sie eine Selbstverstaendlichkeit. Spaeter erreichte mich dann Ashkans Vater,
Hassan, und organisierte ein Taxi fuer mich.
Ich wohnte also zusammen mit Hassan bei seinen beiden Schwestern in der Wohnung und der Bruder und eine weitere Schwester, welche im gleichen Wohnhaus wohnen, kamen immer wieder zu Besuch vorbei.
Zudem wurde ich bei allen fuer ein Mittag- oder Nachtessen eingeladen. Iraner Essen sehr gerne, das fiel mir bereits auf der Busfahrt auf. Immer wieder wird etwas kleines zu sich genommen, sei es
Chips, Fruechte, Nuesse oder sonstige Suessigkeiten. Auch die Hauptmahlzeiten waren sehr ueppig, ich weiss nicht ob, das ueblich ist oder einfach, weil ein Gast anwesend war, aber selbst ich, als
grosser Esser, kam immer wieder an meine Grenzen. Beim Essen kamen dann auch alle zusammen, so waren wir immer zu sechst oder acht am Tisch. Die Zeit war wundervoll, ich war gleichzeitig Gast und
auch ein Teil der Gemeinschaft, etwas das sehr schwer zu beschreiben ist, denn bei uns fehlt dieses Zusammensein und diese Gastfreundlichkeit voellig, oder ich muss eher sagen sie spielt sich
anders ab. Wobei wir hier in einen Bereich gehen, den ich schwer mit Worten erklaeren kann. Die Chemie stimmte einfach, zudem sind die Iraner ein offenes und sehr geselliges Volk, welches
Gastfreundschaft in hohen Ehren haelt. Dasselbe galt auch, als wir Bekannte im Park kennenlernten, diese waren gleich voellig entgegenkommend und herzlich zu mir, auch wenn sie kaum Englisch
sprachen.
Hassan zeigte mir auch einiges von Tehran, hier haben mich zwei Dinge besonders beeindruckt, erstens der massive Verkehr und damit verbunden das Ueberqueren von Strassen und zum zweiten die
Busfahrten. Im Iran steigt man in den Bus ein und bezahlt beim Aussteigen, die Frauen sitzen hinten im Bus und die Maenner vorne. Fahrpreis etwa zwanzig Rappen, selbst fuer Iranische
Verhaeltnisse nichts. Erstaunlich war, dass jeder bezahlte! Meiner Meinung nach haette man ohne weiteres aussteigen und davon laufen koennen, so viele Leute, die den Bus verliessen und betraten,
da waere es nicht aufgefallen. Trotzdem, die Leute stellten sich an und bezahlten einer nach dem anderen. Ehrlichkeit eben. Wenn ich naechste Woche zurueck bin in Tehran, versuche ich ein Video
zu machen, wie ich eine dicht befahrene Strasse ueberquere. Was nicht ganz einfach ist, denn es erfordert viel Konzentration, doch wenn man das System einmal kennt, gehts ganz einfach, sagen sie
zumindest... Momentan heisst es fuer mich Stossgebet, wenn ich den ersten Schritt auf die Strasse mache und Dankesgebet, wenn ich die andere Seite heil erreicht habe. Verkehrsregeln kennen die
Iraner nicht oder sie kuemmern sich nicht darum. Das macht eine Busfahrt auch zu einem Abenteuererlebnis, wobei es nicht ganz so schlimm ist wie in Indien. Trotzdem wundere ich mich immer wieder,
weshalb ich noch keinen Unfall gesehen habe.
Das Land hat auch viele Traditionen, die teilweise noch aus Vormusslimischer Zeit stammen. Beispielsweise sieht man in beinahe jedem Schmuckladen einen Spiegel und davor zwei Kerzenhalter. Ein
Brautpaar tut sich diese fuer die Hochzeit zu und waehrend der Feier ist es ueblich, dass sie an einem Tisch sitzen, mit den drei Gegenstaenden darauf aufgestellt, waehrend die Leute ihre
Glueckwuensche kund tun. Donnerstags sieht man haeufig Leute auf der Strasse, die Datteln oder Suessigkeiten verteilen, als Symbol um den Toten zu gedenken. Wobei es nicht heisst, dass gerade
jemand aus der Familie oder dem Bekanntenkreis gestorben ist, es ist auch nichts Trauriges damit verbunden, sondern einfach eine Geste der Erinnerung. Dir Roemer nannten es "Memento Mori".
Dann gibt es noch Ta'arof, ein System von Hoefflichkeiten, die nur den Iranern ganz klar ist, wobei ich manchmal auch daran zweifle. hihi. Es ist ueblich, dass man etwas mehrmals ablehnt, da
manchmal Einladungen oder Geschenke mehr aus Hoefflichkeit ausgesprochen werden. Bei dritten Mal ist es dann ueblich anzunehmen. So verweigern Taxifahrer anfangs die Bezahlung. Das bringt mich
als Auslaender natuerlich immer wieder in die Zwickmuehle, da ich nie genau sagen kann, wie die Dinge genau laufen. Aber bisher bin ich, so zumindest glaube ich, erst einmal ins Fettnaepfchen
getretten. Als ich die Frau von Hassans Bruder kennenlernte, ging ich gleich auf sie zu und hielt ihr die Hand entgegen. Sie war jedoch ab dieser Geste verwirrt und fuchtelte etwas unbeholfen mit
ihren Haenden, sofort erkannte ich, dass es nicht angebracht gewesen war, doch Hassan erklaerte ihr alles, so dass wir beide herzlich darueber lachen konnten. Es ist schon seltsam, manche Frauen
geben mir ohne zu zoegern die Hand, wobei ich jetzt immer abwarte, ob die Initiative von ihnen kommt, waehrend andere dies nicht tun. Es ist auch interessant, wie einige Frauen zu Hause das
Kopftuch weg legen, waehrend andere es anbehalten, sobald sich jemand anderes als ein Familienmitglied in der Wohnung befindet. Einig sind sich alle Iraner, die ich kennengelernt habe, dass ein
Kopftuchobligatorium abgeschafft gehoert. Es ist schon schlimm, wenn man die Frauen im Park sieht, die waehrend bruetender Hitze ein Kopftuch und lange Kleider tragen muessen, selbst dann wenn
sie Sport machen wollen. Doch wie man sieht sind viele Leute hier mit dem Regime nicht einverstanden.
Mittlerweile bin ich weitergezogen, nach Yadz, wo sich einige der aeltesten Haeuser unseres Planeten befinden. Ich bin jetzt gespannt, wie sich die Reise entwickelt, nun da ich auf mich alleine
gestellt bin, wobei ich mir keine grossen Sorgen mache, so lange ich Demonstrationen meide. ;-)
So es gaebe noch viel mehr zu erzaehlen, aber langsam hab ich Hunger. Was ist eigentlich in der Schweiz so los? Wie ist das Wetter? Was hoert man ueber den Iran?
Ich wuerd mich freuen ueber ein paar Neuigkeiten. Danke auch jenen, die mir bisher geschrieben habe, ich werde versuchen zu antworten, obwohl meine Mailseite nur unkonstant funktioniert.
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