Einst lebte Einer in einem Dorf am Fluss. Einer lebte in einer Hütte, die obwohl einzigartig sich kaum von den anderen Hütten unterschied. Einer hatte viele Hütten gesehen und meinte sein Dorf gut zu kennen. Einer glaubte auch Einzigartig unter Vielen zu sein.
Immer wieder hörte Einer Geschichten vom Fluss. Es waren spannende Geschichten, Geschichten von denen Einer immer wieder träumte. Einer hatte den Fluss noch nie gesehen, doch jedes Mal wenn er Geschichten vom Fluss hörte begann er ihn sich vorzustellen und jedes Mal wenn er ihn sich vorzustellen begann, fing sein Herz an wie wild zu pochen. Eines Tages entschloss sich Einer schliesslich den Fluss zu suchen. Er nahm sein Gepäck und machte sich auf den Weg.
Als er schliesslich am Fluss ankam, blickte er den Lauf hoch und hinunter. Er fragte sich, welcher Richtung er folgen sollte. Hinauf zum Ursprung oder Hinunter zum Ende? Letztlich beschloss er hinunter zu gehen. Ihm schien dies der richtige und natürliche Weg zu sein. Schliesslich floss alles einem Ende hinzu.
So folgte Einer dem Lauf des Flusses. Neugierig hielt er immer wieder inne und betrachtete fasziniert, wie sich die Farbe des Wasser, dessen Geschwindigkeit, die Oberfläche, dessen Geräusch und vieles mehr immer wieder veränderte. Sorgsam achtete er auf all die feinen Veränderungen, obwohl er nie genau begriff wie diese Veränderungen zustande kamen.
Schliesslich gelangte Einer zu einer Stelle des Flusses an welcher er einen Anderen entdeckte. Der Andere stand im Fluss, das Wasser reichte ihm bis zu den Hüften. Der Andere stand leicht nach vorne gebeugt und starrte hinunter ins Nass. Auf dem Rücken trug er einen Rucksack an dessen Unterseite ein Loch war. Aus dem Loch fielen immer wieder kleine silbrige Dinge ins Wasser. Jedes Mal wenn etwas hinunterfiel schien es Einer als würde der Andere etwas weiter nach vorne schwanken. Einer begann dem Anderen zuzurufen, dass sein Rucksack ein Loch habe, doch der Andere hörte ihn nicht. Selbst als Einer näher ans Wasser kam, hörte ihn der Andere nicht, er starrte stets weiter hinunter ins Nass. Ins Wasser wollte Einer nicht gehen. Er fürchtete sich davor, denn das Wasser schien ihm so wild und stark zu sein. EIner fürchtete sich, dass es ihn mitreissen würde. Nun gab Einer auf und beschloss den Anderen so sein zu lassen. Er wandte sich ab und folgte weiter dem Fluss. Doch als er sich ein letztes Mal umdrehte, sah er immer noch wie der Andere starr dort stand. Nun erkannte er aber, dass die Dinge, die aus dem Rucksack fielen, sich bei der Berührung mit dem Wasser in einen Fisch verwandelten.
Als Einer weiter unterwegs war, wanderte seine Gedanken immer wieder zurück zum Anderen. Worauf hatte er so gebannt geschaut? Vielmehr noch beschäftigte Einer aber die Frage, weschalb er sich vor dem Wasser fürchtete. Es war ihm bisher nie aufgefallen, dass er Angst vor dem Fluss hatte. Doch wenn er genauer darüber nachdachte, so wurde ihm klar, dass er noch nie das Wasser berührt hatte. Er schlief stets gleich neben dem Fluss, doch weit genug, dass ihn das Wasser nicht berührte. Wenn er einen grossen Felsen entdeckte, der weit in den Fluss ragte, so sprang er hinauf und legte sich hin, damit sein Gesicht so nahe wie möglich am Wasser war, doch nie berührte er es. Weshalb eigentlich nicht?
Eines Tages begegnete Einer auf seinem Weg am Fluss Anderen, die ihm entgegen kamen. Sie setzten sich gemeinsam ans Ufer und begannen zu erzählen. Einer berichtete vom Anderen, welcher weiter oben im Fluss stand. Die Anderen erzählten von einer Stelle des Flusses, die so schön war wie keine andere. Das Wasser dort war klar und ruhig. Es war der schönste Platz am gesamten Fluss, sagten die Anderen. Einer fragte die Anderen ob sie denn den ganzen Fluss gesehen hätten. Die Anderen verneinten. Deshalb seien sie unterwegs den Fluss hinauf. Sie wollten den Ursprung des Flusses finden. Einer fragte dann, ob die Anderen je den Fluss betreten hatten. Er schämte sich zu sagen, dass er sich davor fürchtete. Die Anderen betrachteten Einer verwirrt und meinten das sei absurd. Weshalb solle man den Fluss betreten, vom Rand sah man ja alles was es zu sehen gab.
Schliesslich verabschiedeten sich voneinander und gingen ihres Weges. Einer dachte über die Anderen nach. Was würden sie tun wenn sie den Anderen sahen? Würden sie den Anfang des Flusses erreichen? Wie sah der Anfang wohl aus? Er hatte immer angenommen, dass der Fluss einen Anfang hatte, aber er hatte sich nie eingehend damit beschäftigt. Alles hatte einen Anfang, diese Erkenntnis hatte ihm stets genügt. Alles hatte auch ein Ende, auch diese Tatsache war ihm bewusst. Nun begann er sich aber zu fragen, wie dieses Ende aussah.
Nun erreichte Einer die Stelle des Flusses, von der die Anderen erzählt hatten. Es war tatsächlich eine sehr schöne Stelle, die schönste die Einer bisher gesehen hatte. Das Wasser war so klar wie sonst nirgends und so ruhig, beinahe als würde alles still stehen. Ausserdem gab es grosse flache Felsen, welche flach gegen die Flussmitte abfielen. Sofort legte Einer sein Gepäck nieder und stieg auf einen der Felsen und legte sich auf den Bauch, das Gesicht so nahe ans Wasser wie möglich. Während er ins Wasser schaute bemerkte er die vielfälltigsten Dinge. Er sah kleine und grosse Fische, er sah Frösche und Kaulquappen, Krebse, diverse Pflanzen, Steine und Sand. Noch nie hatte er so klar hinein gesehen. Ihm schien es, als sei alles miteinander verbunden. Fische schwammen gemeinsam um andere Lebewesen, wobei einige ihn zu beobachten schienen. Er sah, wie Krebse Kaulquappen frassen, wie Fische in Schwärmen schwammen, wie andere Tiere einander folgten. Alles schien aufeinander abgestimmt zu sein, voneinander beeinflusst. Doch Einer verstand die Zusammenhänge nicht. Schliesslich wurde Einer müde und legte sich schlafen.
Einer erwachte durch das Geräusch eines Steines, der ins Wasser fiel. Als er hochblickte, entdeckte er Jemand der auf dem Stein sass, auf welchem Einer Tags zuvor gesessen hatte. Immer wieder warf Jemand einen Stein ins Wasser. Einer betrachtete Jemand genau und als dieser bemerkte, dass Einer wach war, grüsste er ihn. Einer grüsste ihn ebenfalls und fragte ob Jemand ebenfalls ein Reisender sei. Jemand grinste und meinte, dass er hier wohne. Einer verstand die Antwort nicht und so fragte er ob Jemand den Fluss gut kenne. Jemand erwiderte, dass er wisse, wo das Wasser wie tief war und wo die gefährlichen Stromschnellen waren. Einer platzte heraus, dass Jemand dann sehr weise sei, wenn er so gut Bescheid wisse. Jemand zuckte mit den Achseln. Einer fragte weiter, ob Jemand wisse, wo der Ursprung oder das Ende des Flusses sei. Jemand zuckte mit den Achseln, er antwortete, dass er es nichts wisse, möglicherweise sei das Ende und der Anfang hinter der nächsten Flussbiegung. Einer schüttelte den Kopf und sagte, dass er von weit komme und den Ursprung nicht gesehen habe. Jemand meinte dann, dass in diesem Fall Einer weiser sei als Jemand, doch es klang für Jemand sehr nebensächlich. Jemand meinte, er sei einst weiter unten gewesen, doch dort habe es ihm nicht gefallen, so sei er hierher gekommen. Er warf den Stein ins Wasser und meinte, nun da der Stein im Wasser sei, habe sich der Fluss verändert, doch nicht merklich. Jemand betrachtete Einer und wollte wissen, weshalb es wichtig sei, den Ursprung oder das Ende zu kennen, wenn Einer doch jetzt nicht an jenem Ort war. Einer wusste nicht was zu antworten. Schliesslich betrachtete er den Felsen auf dem Jemand sass und fragte, was geschehen würde, wenn man diesen entfernte oder verschob. Jemand wusste es nicht. Schliesslich erhob sich jemand und verabschiedete sich von Einer. Jemand ging langsam auf den Fluss zu und trat hinein, nach wenigen Schritten verwandelte er sich schliesslich in einen Fisch und verschwand im Wasser.
Einer blickte ihm lange nach. Er betrachtete auch den grossen Stein und dachte über den kleinen Stein nach, den Jemand in den Fluss geworfen hatte. Dann überlegte er welchen Weg er weiter nehmen sollte. Er schaute den Flusslauf hoch, dann hinunter und dann auf den Flusslauf vor ihm. Er blickte immer wieder in alle Richtungen bis er schliesslich aufstand und seines Weges ging.